Es ist heiß, sehr heiß! Ich wälze mich hin und her, habe keine Orientierung. Ein sonores Geräusch umgibt mich. Ich öffne die Augen, nichts als Dunkelheit. Ich bin klatschnass. Es ist mein eigener Schweiß, der mir in Strömen auf meiner Haut entlang fließt. Ich verstehe, ich bin in meinem Bett in Afrika und fühle mich hundeelend. Gerade erst habe ich verstanden, da erfasst mich eine Kältewelle. Woher sie kommt, weiß ich nicht, das ist auch mein geringstes Problem. Ich zittere wie Espenlaub, das Eis hat inzwischen meinen gesamten Körper erfasst. Es ist so bitterkalt! Bitterkalt bei 27 Grad Raumtemperatur. Ich will mich aufrichten, weiß, dass ich den Schalter für den Deckenventilator ausschalten muss, der immer noch auf höchster Stufe läuft, um mir in dieser Affenhitze ein wenig Linderung zu verschaffen, aber es gelingt mir nicht. Ich bin zu schwach, mich aufzurichten. Ich liege weiter zitternd in meinem Bett. Gedanken kreisen, doch sie führen zu nichts. Ich kann mich auf nichts konzentrieren, Dinge verflüchtigen sich in meinen Synapsen wie feiner Sand, der durch die Hände rinnt, selbst wenn man ihn festhalten möchte. Langsam hört das Zittern auf, oder geht es schnell? Ich weiß es nicht. Habe jegliches Zeitgefühl verloren. Schon längst hat sich der kalte Schweiß wieder erwärmt. Kaum realisiere ich das, ist er erneut kochend heiß. Es kommt mir vor, als würden die heißen Perlen sich in meine Haut einbrennen. Das Fieber killt mich!

Das Hämmern in meinen Schläfen wird immer pochender. Ich halte die Kopfschmerzen nicht mehr aus, so denke ich zumindest, fühle ich, nein, ich weiß es: Ich halte sie nicht mehr aus! Mein Gehirn läuft auf Hochtouren. Ich versuche irgendeine Strategie zu entwickeln, mit der ich die Schmerzen managen kann. Ich bin von ihnen überwältigt und doch muss es etwas geben, damit ich sie für mich erträglich machen kann. Gerade habe ich das Gefühl, dass es mir gelingt, diesen aberwitzigen Kopfschmerz etwas zur Seite schieben zu können, zumindest so weit, dass er mich nicht mehr innerlich auffrisst, da bemerke ich, wie meine Oberschenkel sich mit einer brutalen Massivität in den Fokus der Aufmerksamkeit drängen. Es klingt absurd, aber es ist so: Noch nie habe ich so genau gewusst, wo meine Oberschenkel sich befinden! Sie fühlen sich an, wie eine völlig undefinierte breiige Masse. Eine Masse, die von der äußersten Hautschicht bis in den letzten Winkel des Knochenmarks führt. Knochen habe ich keine mehr, aber auch keine Haut, keine Muskeln, keine Sehnen, kein gar nichts. Alles ist nur Schmerz! Das Wort Dengue soll von irgendeiner Sprache abstammen und dem Ursprung nach Knochenbrecher heißen. Und genau so fühlt es sich an. Du hast keine Knochen mehr, sie sind gebrochen. Jeder verdammte Knochen in deinem Leib ist zerstört, zersplittert, er existiert nicht mehr und doch schmerzt er so, wie es nur in der Hölle vorkommen kann!

Was ich zuvor mit den unerträglichen Kopfschmerzen durchgemacht habe, wiederholt sich nun mit der breiigen Masse unterhalb meiner Hüften, die irgendwann mal meine Oberschenkel gewesen sein müssen. Ich versuche irgendwie den Schmerz zu beherrschen, doch bevor es mir gelingen wird, wird das nächste Pulverfass aufgerissen. Nicht, dass die Kopf- und Oberschenkelschmerzen nachgelassen hätten, nein, es kommt nur noch etwas anderes hinzu: Ein Stechen, ein Ziehen oder ist es ein Verkrampfen? Keine Ahnung, ich kann es es nicht ausmachen. Ein heftiger Schmerz fährt mir in die Seite. Sind dort nicht irgendwelche wichtigen Organe? Nieren, Leber, Galle, Milz? Ich weiß es nicht, alles, was für mich in diesem Augenblick Belang hat, ist: Ich halte es nicht mehr aus! Eine wilde Fratze erscheint vor meinem Gesicht, der Typ hat einen Oberkörper wie Arnold in seinen besten Jahren und hält einen riesigen Vorschlaghammer in beiden Pranken. Er lässt ihn wie ein Bekloppter mit aller Kraft auf einen Metallmeißel niedersausen, der tief in meiner Schläfe steckt. Immer und immer wieder treibt er ihn noch tiefer in meinen Schädel hinein, auch wenn ich genau weiß, dass geht gar nicht mehr tiefer. Und doch geht es, und es nimmt einfach kein Ende!

Du willst nur noch, dass es aufhört. Egal, was danach kommt. Es spielt überhaupt keine Rolle. Bist du noch du selbst? Bist du arm, bist du reich, bist du traurig, bist du glücklich? Bist du überhaupt noch am Leben? Scheiß egal! Es muss nur aufhören. Du hälst es nicht mehr aus! Jetzt in diesem Augenblick! Bitte! Doch es ist gnadenlos, es geht immer weiter. Tränen laufen dir aus deinen Augen, ohne dass du den Funken einer Chance hast, diese zu unterdrücken. Dir ist alles egal, alles rund um dich herum verschwimmt. Du verliertst die Orientierung, den Halt, die Kontrolle, du verlierst alles, was du bisher hattest, du verlierst dein Leben!

Zwei Tage später sitze ich in einem Flieger von Nairobi nach Amsterdam. Ich verstehe immer noch nicht, wie ich es bis hierher geschafft habe. Vollgepumpt mit Schmerzmitteln, konnte ich meine Fieberschübe irgendwie managen, bis ich ins Flugzeug stieg. Die Crew muss so beschäftigt gewesen sein, dass sie nicht mitbekam, wie ich beim Einsteigen von einem heftigen Schüttelfrost erfasst wurde. Meine größte Angst ist, dass sie meinen Zustand erkennen und mich nicht befördern wollen. Mir gelingt es, mich zu meinem Sitzplatz zu schleppen, den Transit in Amsterdam bekomme ich auch irgendwie hinter mich, ohne später zu wissen, wie er im Details ablaufen ist. Vom Flughafen in Frankfurt ging es direkt zum Tropeninstititut der Uniklinik.

Heute, mehr als zwei Wochen, unzählige Blutproben und andere Tests später, lebe ich immer noch und bin auf dem Weg der Besserung. Die letzte Blutprobe, zeigte keine Antikörper mehr gegen Dengue Fieber, dafür habe ich mir eine Cytomegalieinfektion eingefangen, die vermutlich nur deshalb eine Chance hatte auszubrechen, da mein Immunsystem geschwächt war, aber auch die werde ich bald überstanden haben. Ich bin immer noch, auch wenn ich inzwischen sieben Kilogramm weniger bin, sieben Kilogramm, die mir verdammt gut gestanden haben und die ich nun mühsam wieder zurückholen muss. Aber es gibt Schlimmeres!

Das Verrückte am Knochenbrecherfieber (Dengue), der übrigens häufigsten durch Stechmücken übertragenen Krankheit weltweit, ist, dass die meisten Infizierten sie nicht einmal bemerken. Sie verläuft in den weit überwiegenden Fällen symptomlos. Neusten Zahlen zufolge soll es pro Jahr zu rund 400 Millionen Infektionen kommen, doch nur sehr wenige von ihnen haben einen schweren Verlauf. Nur bei einem schweren Verlauf versteht man, woher der Name kommt. Ich verstehe es inzwischen sehr gut, hätte aber liebend gerne auf diesen Erkenntnisgewinn verzichtet!

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