Nachdem ich nun wiederholt nach einer Leseprobe meines neuesten Rhein-Main-Thrillers Blut & Rache gefragt wurde, erfülle ich diesen Wunsch hiermit gerne. Die folgenden Zeilen sind aus dem ersten Kapitel „Dämonen der Vergangenheit“:
Der Schmerz kam später. Ich hörte nur die Machete knapp an meinem Kopf vorbeisausen und dann das typische Geräusch. Schon früher hatte ich es gehört. Immer wenn bei uns im Dorf eine Kuh geschlachtet und anschließend zerlegt wurde. Dieses Tschak, das einprägsame Geräusch, das entstand, wenn ein scharfes Fleischerbeil ein Stück Rindfleisch mit Knochen in zwei Stücke zerteilte. Nur dieses Mal war es kein Rindfleisch. Und das Tschak war so präsent wie noch nie zuvor. Es war mein eigenes Tschak.
Ungläubig schaute ich auf meinen Armstumpf, aus dem das Blut herausströmte. Auf dem Tisch lag eine abgetrennte Hand. Meine Hand. Dann spürte ich ihn das erste Mal: den Schmerz. Höllische Schmerzen, wie ich sie noch nie zuvor gespürt hatte. Blankes Entsetzen erfasste mich und ich schrie auf. Die Lautstärke meines eigenen Brüllens ließ mich erschaudern, oder war es einfach die gesamte Situation, die mich völlig überforderte?
Hilfesuchend blickte ich in ihre Augen, doch ich fand dort kein Mitleid. Auch keinen Hass. Diese Augen, die ich kannte wie keine anderen Augen auf dieser Welt, strahlten eine Teilnahmslosigkeit aus, als hätten sie gerade realisiert, dass der Wind sich von Ost nach West gedreht hatte. Sie betrachtete ihr Werk und schien zufrieden. Dann nahm meine Mutter meinen Armstumpf und tauchte ihn in das siedend heiße Öl, das in einem großen Blechtopf auf der offenen von Steinen umrahmten Feuerstelle stand. Der Schmerz zerfraß mich förmlich, bevor mir schwarz vor Augen wurde und ich meine Besinnung verlor.
Der Journalist Armin Anders blickte sich verwirrt um. Nein, er war nicht in Lagos, der früheren Hauptstadt von Nigeria, und er war auch nicht der Junge, dem von seiner Mutter gerade eine Hand abgehackt worden war, nur damit er anschließend in der Millionenstadt bessere Chancen hatte, auf den belebten Straßen etwas Geld für die Familie zu erbetteln. Nein, er lag wohlbehütet in seinem Haus im beschaulichen Bad Homburg in der Nähe von Frankfurt und musste zuvor auf der Couch eingenickt sein.
Entgeistert schaute er zum Fenster. Es war helllichter Tag. Unvermittelt griff er zu seiner Hand und atmete tief durch. Dieser Traum hatte ihn in seiner Jugend oft verfolgt, seitdem er mit seinen Eltern ein Jahr in Lagos gelebt hatte. Auf den Straßen im Moloch Lagos hatten sich damals viele Kinder getummelt, denen entweder eine Hand oder ein Fuß fehlte, in manchen Fällen sogar beides. Armin Anders hatte sie immer wieder gesehen, so viele von ihnen. Sie kamen im ewigen Stop-and-go-Verkehr an jedes Auto, setzten den Arm- oder Beinstumpf gekonnt in Szene und zogen ihr leidvollstes Gesicht auf, das sie zustande brachten, um möglichst viel Mitleid zu erregen. Viel mussten sie dazu nicht tun, sie sahen in ihrer dreckigen, zerrissenen Kleidung ohnehin schon wie das Elend schlechthin aus. Und doch ließen sich die Autofahrer und Passanten nur selten erweichen, ihnen ein paar Kobos zuzustecken. Es waren einfach zu viele Bettelkinder unterwegs, das stumpfte ab und man konnte nicht allen helfen. Was für eine Hilfe war das überhaupt? Das Geld verblieb ohnehin nicht bei den Bettelkindern, das war gewiss. Irgendwann ignorierten die Meisten sie einfach. Sie gehörten zum Stadtbild, sie gehörten zum Leben, man konnte oder wollte nichts für sie tun.
Nachdem Armin Anders als Achtjähriger die ungeschminkte Wahrheit über die behinderten Kinder auf Lagos‘ Straßen erfuhr, hatte er kurze Zeit später zum ersten Mal diesen schrecklichen Albtraum gehabt. Er war so reell, wie ein Traum nur sein konnte, …“
Ich hoffe, ich konnte mit diesen Zeilen euer Interesse für das Buch wecken, in dem der Bad Homburger Journalist Armin Anders mit mehreren Fällen konfrontiert wird, die in seiner Heimatstadt aber auch im Moloch der Millionenstadt Lagos passieren. Habe diese Ereignisse gar etwas miteinander zu tun? Ihr könnt eure Einschätzung gerne in einem Kommentar abgeben.