Kennst du sie etwa nicht? Hast du sie nicht besucht? Hast du nicht unzählige Stunden und Tage in ihr verbracht, geschwitzt, gelacht, gezittert, geweint und dich auf den nächsten Tag gefreut oder nach den Ferien gesehnt? Eine Schule ist immer eine zwiespältige Sache insbesondere die Oberstufe. Wie viele von uns haben sich zwischendurch gewünscht, sie nach der Schulpflicht zu verlassen, sei es ohne Abschluss oder mit einem niedrigeren. Und doch haben wir uns zum Glück dazu entschieden, durchzubeißen nach dem Motto „Aufgeben ist nicht“.

Heute nach all den Jahren im harten rauen Leben abseits der Schulbank kann ich stolz sagen: Ich war auf der besten Schule der Welt, der Handelsakademie in Klagenfurt!

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Der Altbau war das ehemalige Siechenhaus der Stadt Klagenfurt am Wörthersee – damals wurden hier dahinsiechende Kranke abgelegt, damit die übrige Bevölkerung sich nicht mit den ansteckenden Krankheiten oder gar Seuchen infizierte. Direkt nach dem Ersten Weltkrieg war es aber aus mit dem Siechenhaus in dem Gebäude von 1896 in der Klagenfurter Kumpfgasse – die Handelsakademie zog ein und bildet seit dem tausende disziplinierte, wissbegierige und fleißige Schüler aus. Die besten Schüler der Welt, wie uns Direktor Hudelist kürzlich absolut glaubhaft versicherte!

Wir waren damals natürlich auch die beste Klasse der Welt. Es versteht sich von selbst, dass nach uns nichts Vergleichbares mehr kam und wir deshalb nach einer mehr als einstündigen Schulführung am 17. September 2016, die mit einem gepflegten Prosecco-Umtrunk im Direktorat endete, schließlich stolz im Bierhaus zum Augustin landeten und unsere Klasse, also uns selbst, feierten. Dabei verstanden wir uns wieder – oder besser immer noch – so gut, als hätten wir uns gerade noch am Vortag über einen wie immer unangekündigten Geschichtetest von Prof. Mletzko geärgert oder uns über die quietschenden Schuhe von Mathematiklehrerin Schmid Irmentraut amüsiert.

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Astrid, Christine, Gabi, Gerlinde, Gudrun, Heidi, Karin, Manuela, Sabine, Ursula, Georg, Gerald, Harald, Heiner, Helmut und natürlich auch Klaus-Peter, ich habe mich wahnsinnig gefreut, euch alle wiederzusehen, auch 😉 wenn ihr euch eigentlich gar nicht verändert habt! Es war toll, mit euch über alte Zeiten, Leiden und Freuden in Erinnerungen zu schwelgen, aber auch Neues von eurer aktuellen Lebensgeschichte zu hören. Mit 750 km Anfahrtsweg hatte ich wieder mal die längste Anreise hinter mir, doch werde ich die auch in Zukunft immer wieder gerne auf mich nehmen, um euch zu sehen: Die beste Klasse der Welt! Danke, dass es euch gibt und ihr so seid, wie ihr seid!

Ein paar Bilder von unserem Treffen: Hier die „Katakomben“, unsere Schreibmaschinen- und Stenografieräume tief unten im Keller, dunkel und stickig mit dem obligatorischen Geruch, den wohl keiner von uns jemals vergessen wird. Das damals nur spärlich vorhandene Licht ließ das feucht-kalte Klima in den alten Gemäuern noch weniger einladend erscheinen. Heute jedoch sehen sie nach der Renovierung freundlich aus, man kann kaum noch von „Katakomben“ sprechen.

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Prof. Romanin (RIP) – nie werde ich verstehen, wie es hier unten eine kaum 150cm große und schmächtige ältere Dame schaffen konnte, einer wilden jungen Horde, wie wir es waren, einen derartigen Respekt einzuflößen. Vor jeder Stunde hatten wir feuchte Hände – selbst im Winter! Einige von uns haben sogar gezittert, aber nicht vor Kälte. Nein, weit gefehlt, der Rohrstock wurde zu meiner Zeit nicht mehr eingesetzt, bei Ihnen hat Ihre natürliche Autorität ausgereicht, dass wir wirklich alles gaben, um endlich auf den völlig antiquierten Schreibmaschinen im Takt Ihres auf den Tisch donnernden Taktstockes anspruchsvolle Texte ohne Fehler aufs Papier zu bringen. Danke für dieses Lehrstück. Ich wünschte, es gäbe auch in der heutigen Zeit mehr Lehrer aus Ihrem Holz!

Im ersten Semester mussten wir uns noch mit solchen Schreibmaschinen herumquälen:

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Die Typenhebel verhaspelten sich andauernd! Romanin war mit ihrem Taktstock schon gute dreißig  Schläge weiter, bis man die Typenhebel endlich wieder entwirren konnte. Schnell  hackte man um so aufgeregter mit nun schwarzen Fingern wie wild auf der Tastatur herum, um wieder in den Takt zu kommen, bevor sie das Missgeschick entdeckte. Denn erspähte sie den AusDemTaktTipper, warf sie ihm einen solch strafenden Blick zu, dass der wahrlich töten konnte! Ich frage mich noch immer, wo die ganzen Leichen hinverschwunden sind – ich allein bin dort unten tausende Tode gestorben!

Was für ein Segen, ich denke, es war gegen Ende des ersten Semesters der ersten Klasse: Die ultramodernen IBM-Kugelkopf- und Typenradmaschinen zogen in die Katakomben ein. Vorbei die Zeiten der verhaspelten Typen und schwarzen Fingerkuppen. Ich finde es klasse, dass die HAK eine Art Museum unterhält, wo ich diese Stücke fotografieren konnte.
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An Romanins Taktstock hatten wir uns gewöhnt, auch ihr Blick war nicht mehr derart tödlich. Ich weiß nicht, wie ich es schaffte, aber am Ende langweilte ich mich gar im Takt, erntete zunehmend Zweier oder gar Einser und hätte mit jeder Sekretärin konkurrieren können. Romanin hatte Wunder geleistet, ich wurde ihr Schatzi, liebevoll bezeichnete sie mich als „Mein Deutscher“. Wir wurden so etwas wie Freunde und in der Tat bestürzte mich die Nachricht über ihr Ableben vor ein paar Jahren sehr.

Fast alle unsere Lehrer waren streng, nach heutigen Maßstäben sogar sehr bis unmenschlich streng, und doch sind mir die meisten äußerst positiv in Erinnerung geblieben, auch wenn es hin und wieder hart war. Unangekündigte Tests waren an der Tagesordnung, manchmal auch zu absoluten „Unzeiten“. War es nicht direkt in der ersten Stunde nach dem einwöchigen Skikurs, als uns Mletzko mit seinem unbarmherzigen „Zettel aussa!“ den letzten Nerv raubte? Und doch habe ich seinen Geschichtsunterricht geliebt und wir haben viel gelernt.

Deutschlehrer Rumpf, bei dem wir zwar kaum gelesen haben, der uns aber dafür die deutschsprachigen Schriftsteller mit ihrer Vita und ihren bedeutendsten Werken einbläute, als gäbe es kein Morgen (huch, das ist ja gar kein ganzer Satz – Schande über mich). Selbstredend hat er die in beliebiger Reihenfolge jeden Anfang einer neuen Deutschstunde abgeprüft. Die Fünfer (in Österreich gibt es nur Schulnoten von Eins bis Fünf) sind nur so geflogen und spätestens nach dem dritten Fünfer war jedem von uns klar, wenn ich dieses Schuljahr irgendwie schaffen will, muss ich zukünftig Schiller, Lessing, Grillparzer & Co. aus dem FF beherrschen. Ob Rumpf mal ein Buch von mir gelesen hat oder lesen wird?

Mein uneingeschränktes Lob gilt auch Prof. Klaus-Peter Haberl, unserem Klassenvorstand, den wir im Anschluss an „Eireene Repp“ bekamen, ich glaube zu Beginn der dritten Klasse? Für Unwissende: Die Handelsakademie (HAK) ist eine fünfjährige Wirtschaftsoberschule und man beginnt wieder bei eins zu zählen. Die fünfte Klasse HAK ist also in Wirklichkeit die 13. Klasse. Klaus-Peter, wir waren deine erste Klasse als Klassenvorstand und du brachtest frischen Wind herein, auch wenn es anfänglich ein wenig geknarzt hatte. Ich erinnere mich mit einem amüsierten Grinsen an das „Rote R“ auf allen Heften als Brandzeichen für die Repetenten unter uns. Doch schnell hast du deinen Weg mit uns gefunden und wir mit dir. Du hast trotz Strenge ein absolut bewundernswertes Engagement gezeigt und mit deinen guten didaktischen Fähigkeiten uns schließlich zur Matura (= Abitur auf Österreichisch) geführt. Vielen Dank dafür, das war ein wichtiger Schritt in meinem Leben!

Andere Lehrer habe ich weniger gut in Erinnerung, Insider wissen, wen ich meine. Trotz allem war mein Italienisch bei der Matura  recht passabel. Doch der Schock saß so tief, dass Heiner und ich uns entschieden, auf der Uni doch lieber eine andere Sprache zu lernen, als mit dem Italienischen weiterzumachen – eine Entscheidung, die ich bis heute bereue, und doch werde ich den Namen dieser Lehrerin hier nicht nennen, nein, nein, das mache ich nicht.

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Im Entspannungsraum: So etwas gab es zu unserer Zeit leider noch nicht! Ich verstecke mich nicht hinter dem Smartphone, sondern mache statt desser gerade selbst ein Bild.

Freud und Leid liegen im Schulalltag oft nahe bei einander, bei mir hat eindeutig die Freude überwogen. Es war anstrengend aber sehr zielführend. Bis auf Stenografie konnte ich die meisten Dinge im weiteren Leben verwenden, Steno hätte ich wohl auch verwenden können, doch hatte ich eine derartige Aversion dagegen entwickelt, dass ich mich schlichtweg weigerte – ja, ja, der kleine Rebell in mir.

Handelsakademie Klagenfurt, du vermitteltest mir eine gute Basis für mein anschließendes Betriebswirtschaftsstudium und auch später ließen mich Soll und Haben bei meiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater nicht los. Mit zehn Fingern zu schreiben bildet heute die Grundlage für mein Leben – Dankeschön, liebe HAK, ich werde bei jedem neuen Thriller an dich denken, wenn ich die Tasten antippe, wie einst Romanin mit ihrem Taktstock auf den Tisch gedroschen hat. Du bist die beste Schule der Welt!