Ja, ich gebe es zu. Trotz meines greisen Alters passieren manchmal noch Dinge, die mich in Erstaunen versetzen können, in wirklich tiefes Erstaunen. Es geschah in einer Facebookgruppe, einer großen Büchergruppe mit über 12.000 Mitgliedern. Ich verfasste einen Post mit einer für mich offensichtlich ironischen Werbebotschaft, aber lest bitte selbst:
Skandal in DACH!!!
Mir ist gerade zu Ohren gekommen, dass es tatsächlich noch Bücherwürmer geben soll, die Niemand wird dich vermissen immer noch nicht gelesen haben. Dies ist umso erstaunlicher, da die ganze Welt über diesen Thriller spricht:
„grandios„,„ein neuer Stern am Himmel“,„mitreißend“, „… spannender Thriller mit einer sehr ernsten Thematik“, „fesselt einen total“, „… kein Buch, das man nach dem Lesen bedenkenlos weglegen kann“, „absolut fesselnd“, „ein Muss für jeden Thrillerfan“,„wie kaum ein anderes Buch“, …
Klappentext:
Er wusste nicht, woher er kam, wer er war und wohin er wollte….
Den Rest des Klappentextes brauche ich hier nicht wiedergeben, denn er tut nichts zur Sache und kann anderswo nachgelesen werden. Eine Leserin meldete sich zu Wort, dass sie das Buch „halb abgebrochen“ habe, da die Frauen dort so selbstverliebt seien. Ihren Kommentar entdeckte ich leider erst zwei Wochen später, da ich zwischenzeitlich viel unterwegs war und somit wenig Zeit für Social Media hatte. Als erstes fragte ich mich natürlich, was „halb abgebrochen“ wohl heißen mag. Für mich gibt es nur abgebrochen oder halt weiterlesen – dazwischen gibt es nichts, wäre sonst sowas wie halbschwanger … Aber vielleicht verstehe ich als Mann hier gerade wieder mal etwas nicht.
Ich ließ mich trotzdem nicht beirren und fragte in einer für mich normalen, der Situation angemessenen Sprache nach (hehe, wir sind gerade auf Facebook), denn ich möchte verstehen, warum meine Leser mein Buch abbrechen (auch wenn es nur halb sein sollte 😉 ): „Oh, gerade erst entdeckt. Wen findest du in dem Buch selbstverliebt und woran machst du das fest?“
Als Antwort bekam ich die Aussage, dass besagte Dame nicht so oft in den Spiegel schaue und sich selber lobe.
Meine Gedanken fuhren Achterbahn. Verschiedene Gedanken konkurrierten gerade miteinander: Es kann sich in dem Fall nur um Martina handeln, die in dem ganzen Buch nur bei der Morgentoilette an einem einzigen Tag in den Spiegel schaut und ihr gefällt, was sie sieht, also keineswegs oft … Weiters: Warum breche ich ein Buch ab, wenn mir eine Protagonistin nicht gefällt oder vielleicht nicht sympathisch ist, weil zu selbstverliebt? In einem Buch müssen einem nicht alle Protagonisten gefallen. So zumindest meine feste Überzeugung und meine Lesekultur. Ich hätte wohl kein einziges Buch zu Ende gelesen, denn ich finde in jedem mindestens eine Person, die mir nicht gefällt, da ich hauptsächlich Thriller lese. Ein weiterer Gedanke, den ich hatte: Warum soll ein Mensch nicht in den Spiegel sehen dürfen, und sich selbst loben? Ist man dann tatsächlich schon zu selbstverliebt?
Doch hatte ich scheinbar einiges bislang in meiner kleinen Uwe-Welt falsch gesehen, wie mir später dann bewusst wurde. Ich versuchte ihr meinen Standpunkt mit den folgenden Worten näherzubringen: „Ah, ok, du sprichst die Szene an, in der Martina nachdem sie zuvor Robin das erste Mal gesehen und gewisse Regungen hatte, bei dem morgendlichen Blick in den Spiegel findet, dass sie an diesem Tag besonders gut aussieht. Finde ich jetzt nicht wirklich negativ-selbstverliebt. Ich denke jeder sollte sich selbst lieben, denn sonst ist es schwer andere zu lieben. Und es ist etwas wunderbares, wenn man sich selbst an dem ein oder anderen Tag im Spiegel leiden kann. Aber Meinungen gehen ja zum Glück auseinander. Tut mir leid, dass ich dich mit meinen Protagonisten nicht überzeugen konnte.“
Was nun folgte war ein wahrer Shitstorm. Es erstaunte mich ungemein, wie manche Leute denken, argumentieren und unterstellen. Die interessantesten Gedankengänge:
- Nur Männer stehen vor dem Spiegel und denken, dass sie manchmal gut aussehen. Frauen nie, haben immer etwas an sich auszusetzen und das Beste: Einer Frau wurde das genauso von ihrem Mann bestätigt, mit dem sie schon 28 Jahre zusammen ist (also muss es schon stimmen, schon klar, besonders da sie besagte Szene ihm nicht vorgelesen, sondern in eigenen Worten geschildert hatte 😉 ) Erstaunen.
- Die (Dampfwalzen-)Ironie in dem Satz „Dies ist umso erstaunlicher, da die ganze Welt über diesen Thriller spricht“ ist sämtlichen Teilnehmern des Shitstorms angabegemäß entgangen. Erstaunen. Hm, ist dies wirklich möglich? Selbst wenn mein Buch No. 1 Bestseller in Deutschland wäre (von ich ich nicht einmal zu träumen wage), dann wäre es aus meiner Sicht für jede einzelne Person, die meinen obigen Satz liest, immer noch glasklar zu erkennende Ironie, denn selbst wenn man annehmen würde, dass in D jeder über dieses Buch spricht (was völlig abwegig wäre) so wäre klar, dass die übrigen 7,x Milliarden Menschen dieser Welt garantiert nicht über besagtes Buch sprechen … Eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen No. 1 Bestseller in Deutschland, aber umso offensichtlicher für ein Buch, das bei meinem Posting vielleicht irgendwo auf Rang Zwanzigtausend auf der AmazonBestsellerListe stand (also wirklich an so einer prominenten Stelle, dass es wirklich jeder dort entdecken muss – Ironiemodus aus).
- Mir wurde unterstellt, dass mein Thriller mehr Rezensionen auf Amazon als Leser insgesamt hat. Erstaunen und regelrechte Traurigkeit, dass es Menschen gibt, denen es lustig erscheint, einen Jungautor (ja, ja, das bin ich in meinem Alter immer noch 😉 ) und noch schlimmer, dessen redliche Leser, die sich die Mühe gemacht haben zu rezensieren, derart zu kompromittieren.
Was lerne ich aus dem Ganzen? Eigentlich nichts (auch wenn das Wort „eigentlich“ ziemlich sinnlos ist, mag ich es …). Scheinbar kann man etwas gar nicht stark genug übertreiben, damit auch der Letzte erkennt, dass etwas ironisch gemeint ist. Hätte ich so vor dieser Erfahrung nicht möglich gehalten.
Des Weiteren gibt mir das Männer- und Frauenbild der Frauen, die dort geshitstormt haben, doch sehr zu denken. Es lautet etwa: Nur ein Mann kann so dick auftragen und sein Werk für so wichtig nehmen (wohlgemerkt Ironie nicht erkannt) und nur ein Mann ist so selbstbewusst vor dem Spiegel zu stehen, und dabei zu denken, dass er in diesem Moment besonders gut aussehe.
Schläge unter die Gürtellinie, wie die Unterstellung, dass ich meine Rezensionen auf Amazon selbst verfasst hätte (da ich ja gar nicht so viele Leser hätte – es sind ja immerhin 16 Rezensionen!), sind wohl etwas, womit man im Leben umzugehen lernt, traurig sind sie jedoch allemal, zudem sie über den Urheber solcher Unterstellungen doch mehr aussagen als über das Opfer.
Von besagten Damen waren übrigens mindestens zwei selbst Autorinnen, was mich noch erstaunter und betroffener macht. Sie sollten es selbst am besten wissen, wie schwer der Anfang in dieser Branche ist und selbst ein ureigenes Interesse daran haben, keine Haifischbecken zu eröffnen. Erinnert mich an meinen Beitrag von vor ein paar Wochen über Neid und Missgunst. Schade eigentlich.
Nur um es nochmal klarzustellen, Kritik kann jeder üben, seien ihm die Protagonisten zu selbstverliebt, Werbung zu aggressiv oder was auch immer. Ich denke das sieht man oben an meinen aus Facebook herauskopierten Originalantworten, dass ich damit gelassen umgehe, doch es geht immer über die Art und Weise. Wie heißt es so schön im Volksmund: Der Ton macht die Musik … Vielleicht sollte ich heute auch einfach nur glücklich sein, dass in dem Fall Frau mich doch noch erstaunen kann. 😉
Kommentare, Anregungen, Beschwerden oder was auch immer, jederzeit gerne … wie war das noch mit dem Volksmund … liken, teilen, darüber reden oder was auch immer ausdrücklich erwünscht – Klarstellung: Dies war nicht ironisch. 😉
Der Stein des Anstoßes:
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Das ist doch nicht das erste Buch, in dem eine weibliche Person ihr Spiegelbild gut leiden kann?
Und es gibt sehrwohl Tage im Leben einer „immer was an sich auszusetzen habenden Frau“ (also auch in meinem, haha), wo sie ihr Spiegelbild einmal besonders gut leiden kann.
Aber wäre dies eine Selbstverständlichkeit, so würde es nicht reihenweise „Liebe dich selbst“-Ratgeber mit dem Hinweis:“Schau dir einmal dein Spiegelbild genauer an und lerne zu mögen, was du dort siehst!“ geben.
Gruß
Tanja
Ich kann mein Spiegelbild an manchen Tagen auch sehr gut leiden, das passt schon, Uwe.
Verbuche es als Erfahrung und nutze es zur Feldforschung: Ich finde, nirgendwo kann man dem Volk bequemer auf’s Maul schauen als auf Facebook oder in irgendwelchen Online-Foren. Irgendwann wirst du dieses schwarz-weiß-Denken nochmal gebrauchen können.
Hi Uwe, ich habe gerade bei einem Deutschland-Besuch Dein Buch gekauft (alldieweil ich dachte, ich kenne ueberhaupt nur einen Uwe Alexi…..) und werde mich dranmachen wenn ich mein Jetztiges fertig habe.
Bloss zu diesem Blog: Ich bin sehr oft mit meinem Spiegelbild zufrieden – und ich glaube auch nicht, dass Maenner mehr zufrieden sind als Frauen. Deine Halb-Leserin hat offensichtlich einige Unsicherheiten, das arme Ding!
Viele Gruesse nach langer Zeit!
Liebe Petra,
das freut mich, dass du mein erstes Buch lesen möchtest. Danke auch für deinen Kommentar zu meinem Blogartikel. Schade, dass du deinen Nachnamen nicht genannt hast, vielleicht schreibst du mir eine PN auf Facebook oder eine eMail.
LG Uwe